Home » Hettenhausen » Aktueller Projektstand zur Orgel-Renovierung

Es ist wahrscheinlich schon allen aufgefallen, die in unserer Kirche waren und einen Blick hoch zur Empore geworfen haben: Von der Orgel steht momentan nur noch die fast leere Hülle, überall auf den Sitzbänken bzw. auf der Empore verstreut lagern Pfeifen und sonstige Orgelteile.

 

Nachdem der Vorversuch mit der Rückführung des Blasebalgs in den ursprünglichen Zustand in Absprache mit dem Landesamt für Denkmalpflege Ende letzten Jahres erfolgreich abgeschlossen werden konnte, geht die Restaurierung unserer Orgel jetzt also in die heiße Phase!

Andreas Hahn, Orgelbaumeister und Chefrestaurator der Firma Jehmlich, war mit einem weiteren Mitarbeiter vor kurzem für eine Woche in Hettenhausen, um mit den Vorarbeiten zu beginnen; sie haben die Orgel im wörtlichen Sinne entkernt. Diese vertieften Recherchen und Detailaufnahmen an der Orgel dienten einer vorbereitenden Bestandsaufnahme für die Restaurierung. Ein Teil der Pfeifen und allerlei vom Innenleben sind auf der Empore eingelagert und warten auf die Rückkehr der Teile, die unsere Orgelbauer nach Dresden mitgenommen haben. Dazu gehört alles, was reparaturbedürftig ist oder ersetzt werden muss. Die Pfeifen im Orgelprospekt sind noch hier vor Ort verblieben.

 

 

Der Transport der Teile von der Empore hinaus aus der Kirche und das sichere Verladen erfolgten mit Unterstützung von freiwilligen Helfern aus dem Ort. Über die Woche wurden die fleißigen Mitarbeiter der Firma Jehmlich gut versorgt mit Abendessen, Kaffee und selbstgebackenem Kuchen. Und auch von ihrer Unterkunft, in der sie während ihres Aufenthalts Domizil bezogen hatten, wurden sie als sehr angenehme Gäste gelobt. Vielen Dank an dieser Stelle an alle Helfer und Unterstützer für ihren Beitrag!

Während der Woche hat das Licht in der Kirche teilweise sehr lange gebrannt. Am Freitag dann brachen die beiden zeitig wieder auf, um auf dem Weg nach Dresden noch zwei Orgeln von Adam Eifert in Thüringen zu untersuchen, um weitere Erkenntnisse über die Arbeitsweise von Adam Eifert zu gewinnen.

Herr Hahn rechnet damit, dass sie Ende August oder Anfang September wieder in Hettenhausen sein werden. Für die Restaurierung haben sich die von Dr. Ortrud Wörner-Heil im Staatsarchiv Marburg gefundenen Akten zum Bau der Kirche und insbesondere der Orgel als sehr nützlich erwiesen. Auf Bitte von Herrn Hahn wird Frau Wörner-Heil die für ihn wichtigsten Teile zur besseren Lesbarkeit transkribieren.

 

Zwischenzeitlich ist ein stetiger telefonischer bzw. elektronischer Kontakt notwendig zwischen Herrn Hahn und unserer Gemeinde für auftretende Rückfragen. So war z. B. vor kurzem im Nachgang und in Vorbereitung der zur Ausführung anstehenden Arbeiten eine Frage aufgetaucht bezüglich der Achslagerbuchsen in den Wellen der Tontraktur. Laut dem Eifertschen Angebot aus dem Jahr 1878, das uns erst jetzt durch die aufschlussreichen Recherchen von Dr. Ortrud Wörner-Heil zur Verfügung steht, sollten hier Lederbuchsen zum Einsatz gekommen sein. Andreas Hahn hatte vorher gefolgert, dass es sich um Pertinax-Buchsen (Phenolharzpappe) handeln müsse. Durch die zwischenzeitlich vorliegenden Unterlagen konnte er aber nicht mehr sicher sein, also erhielt Martin Schleicher die Aufgabe, mit telefonischer Anleitung zu prüfen, ob es sich bei den Buchsen um ein sehr hartes (Pertinax-) oder ein weiches Material wie Leder (Transmissionsriemenleder) handelt.

Für uns Laien sind das sicherlich böhmische Dörfer, aber man erkennt daran, wie akribisch Firma Jehmlich an unsere Orgel herangeht und mit welcher Sorgfalt und historischer Genauigkeit sie restauriert wird. Und dass, obwohl die Orgelbauer erst im Sommer wieder hier vor Ort sein werden, in der Zwischenzeit auch hier immer etwas zu recherchieren oder zu prüfen ist. Mal schauen, welche Überraschungen sich noch auftun.

 

 

Schon jetzt ist absehbar, dass die Kosten sich erhöhen werden, da sich mit der Freilegung bisher nicht zugänglicher und nicht einsehbarer Bereiche neue Erkenntnisse ergeben haben zu den in der Vergangenheit ausgeführten Veränderungen an der Orgel sowie in die individuelle und sehr beengte Bauweise Eiferts in der technischen Orgelanlage. Und leider musste auch Schimmelbefall (insbesondere in den Windladen) festgestellt werden. Ergänzt wurde der Erkenntniszugewinn auch durch die Auswertung des originalen Kostenangebots Eiferts aus dem Jahr 1878, weiterer Archivunterlagen aus der Erbauungszeit der Kirche und der Orgel sowie der Besichtigung von Vergleichsorgeln.

Fa. Jehmlich hat der Kirchengemeinde ein ausführliches, transparentes und fundiertes Nachtragsangebot unterbreitet, dessen Mehraufwand sich in der Summe auf ca. 20.000 € beläuft. Der Kirchenvorstand hat im Einvernehmen mit Klaus Vogt, dem Orgelsachverständigen unseres Kirchenkreises, sowie dem Orgelprojekt St. Georg diesem Nachtrag zugestimmt und den Auftrag erteilt. Wir sind uns bewusst, dass die Mehrkosten jetzt eine gewisse Herausforderung für uns darstellen, aber wir streben ja eine möglichst authentische und vor allem verlässliche Funktion und Wiederherstellung unserer Eifert-Orgel an. Uns allen muss bewusst sein, dass es sich bei unserer Orgel um ein ganz besonderes und bedeutendes kulturhistorisches Instrument handelt, das weitgehend ein Alleinstellungsmerkmal in Deutschland besitzt!

 

Die anderen Arbeiten an der Orgel werden zügig weitergeführt. Die vorhandene Elektrik inkl. Beleuchtung wird von der Firma Elektro-Stolz Hettenhausen demontiert und umgebaut; und auch die Diplom-Restauratorin (FH) Birgit Jünger aus Thüringen trifft Vorbereitungen für die Wiederherstellung der ursprünglichen Maserung in Holzimitation Nussbaum am Spieltisch sowie weitere Ausbesserungen.

 

Für die Arbeiten an der Blasebalgkammer im Turm (wo ja jetzt dank des erfolgreichen Vorversuchs der Blasebalg der Orgel wieder in Funktion sein wird) wurden erste Angebote zur Isolierung eingeholt, um die Klimaverhältnisse zwischen dem Kirchenraum und der Kammer zu verbessern.

Die Arbeiten an der Orgel sollen dann im Oktober wie geplant abgeschlossen werden. Daran schließt sich, wie bereits im Frühjahrskurier angekündigt, der Festgottesdienst für die Einweihung der restaurierten Orgel am Sonntag, den 1. November 2020 um 13:00 Uhr an, worauf wir uns schon alle freuen!

Weitere Informationen zur Restaurierung, zu den vielfältigen Aktionen, zu den Pfeifenpatenschaften, zum Spendenstand u. v. m. finden Sie auch hier.

 

 

 

(mf)