Home » Unsere Kirchen » Kirche St. Georg Hettenhausen » Kirchenneubau 1878/79

Als nach der Gründung des neuen deutschen Reiches eine ganz andere Zeit heraufzog und Handel und Wandel einen mächtigen Aufschwung nahmen, trat auch eine Frage kultureller Art, die schon lange Zeit in Hettenhausen der Gegenstand ernster Sorge gewesen war, in den Vordergrund der Erwägungen: die Frage nach dem Neubau einer Kirche.

Die alte Kirche, als Notbau 1650 auf den Trümmern des im Dreißigjährigen Krieg in Asche gesunkenen Gotteshauses errichtet, entsprach in Bezug auf bauliche Beschaffenheit und Größe schon längst nicht mehr den Forderungen der Neuzeit. Schon der von 1779-1787 als äußerst tüchtiger Seelsorger hier amtierende Pfarrer Jakob Karl Römheld gab sich große Mühe um den Neubau, konnte sich aber nicht durchsetzen. Üble Zeitverhältnisse ließen den Plan wieder ganz zurücktreten.

Erst Pfarrer von Stark (1867-1873) griff mit Entschiedenheit die Frage nach dem Neubau wieder auf und wurde ein eifriger Förderer des Werkes. Wie sehr er Interesse daran zeigte, geht daraus hervor, dass er aus Zigarrenkastenbrettchen das Modell einer Kirche schnitzte; das Konsistorium zu Kassel genehmigte den Bau der Kirche nach seinem Entwurf. Pfarrer von Stark ging 1873 als Gymnasiallehrer nach Schwerin. Sein Entwurf kam nun nicht zur Ausführung. Er entsprach nicht den Wünschen des Kirchenvorstandes. Von Stark hatte nach dem Vorbild der alten Kirche nur einen Orgelchor vorgesehen, während die Gemeinde auch auf beiden Seiten Emporen für alle männlichen Gemeindeglieder haben wollte.

Erst unter der Amtstätigkeit des Pfarrers Hermann Denhardt waren die Vorarbeiten so weit gediehen, dass einem abgeänderten Plan die kirchenbehördliche Genehmigung erteilt und im Mai 1878 mit dem Abbruch der alten Kirche begonnen werden konnte. Der Turm blieb stehen. Während die alte Kirche sich nach Westen hin an den Turm anschloss, erbaute man die neue Kirche auf seine Ostseite, auf dem Gräberfeld des alten Friedhofs.

 

 

Die bei den Ausschachtungsarbeiten zum Vorschein kommenden Überreste der dort Ruhenden wurden vorsichtig gesammelt und in einem gemeinsamen Grab der Erde wieder übergeben. Bei dem Altar, in der Nähe der heutigen Turm-Eingangstür, legte man zwei ausgemauerte Gräber frei, die in bereits zerfallenen Särgen die hier ruhenden Leichen eines Herrn von Mansbach und seiner Frau aus Poppenhausen bargen. Man fand noch Schädel-, Arm- und Beinknochen und einen silbernen Kranz, den man der Freifrau mit ins Grab gegeben hatte.

Während des Kirchbaus wurden die Gottesdienste im Schulhaus oder zuweilen bei günstiger Witterung im Freien, auf dem Friedhof, abgehalten.

Die Ausführung der Maurer- und Tüncherarbeiten hatte der Maurermeister Stock aus Fulda übernommen. Neben Arbeitern aus Hettenhausen und Umgebung beschäftigte er Leute aus Fulda, Rommerz, Horas, Petersberg. Für das Mauerwerk kamen zum Fundament das Altmaterial, im übrigen Sandsteine aus dem Haderwald und aus einem neu angelegten Bruch am Weyherser Weg (wo heute Haus Nr. 106 steht) zur Verwendung.

 

Pfarrkirche St. Georg

Die kunstvoll bearbeiteten Steine an den beiden Eingangstüren sowie der Altar sind ein Werk des Steinhauers Adam Matheis von hier (gebürtig aus Niederwiesen, Kreis Alzey).

Der Taufstein, von Johannes Zinn bereits 1870 gehauen, ist noch ein Baudenkmal aus der alten Kirche.

Die Zimmerarbeiten hatte man dem Zimmermeister Schmidt aus Götzenloch bei Schmalnau, die Schreinerarbeiten dem Schreinermeister Baier von Mosbach übertragen. Hiesige Schreiner arbeiteten mit, die Kanzel hat Schreiner Georg Zinn angefertigt.

Die Orgel, ein Werk mit 2 Manualen, Pedal und 17 klingenden Registern, ging aus der Orgelbauanstalt von Adam Eifert aus Stadtilm in Thüringen hervor und kostete 4000 M. Die alte Kirche hatte zwei Orgeln gekannt; die erste, 1675 erbaut, hatte 75 Gulden gekostet und musste nach nicht ganz hundert Jahren, im Jahr 1769, einem besseren Orgelwerk im Wert von 90 Reichstalern Platz machen.

Die Turmuhr wurde nicht jetzt erst, sondern schon im Februar 1877 von Uhrmacher Gottfried Kirchner aus Homburg v. d. Höhe zum Preis von 830 M geliefert. Die Anschaffungskosten trugen Kirchengemeinde und politische Gemeinde zu gleichen Teilen. Ob das alte Uhrwerk noch das aus dem Jahr 1657 stammende war, ist nicht bekannt.

Zu den recht beträchtlichen Baukosten der Kirche erhielt die Kirchengemeinde Unterstützung, besonders hat sich der Gustav-Adolf-Verein der Gemeinde angenommen.

Nach glücklicher Vollendung des Kirchbaus konnte das Gotteshaus durch den Konsistorialrat Fuchs aus Kassel am 28. September 1879 feierlichst geweiht und dem gottesdienstlichen Gebrauch übergeben werden.

 

Recto: Hettenhausen, Evangelische Kirche, Portal – Deutsche Digitale Bibliothek (deutsche-digitale-bibliothek.de), Quelle: Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck, Landeskirchliches Archiv

 

Evangelische Kirche – Deutsche Digitale Bibliothek (deutsche-digitale-bibliothek.de), Quelle: Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg

 

Pfarrkirche St. Georg

 


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* Im Text befinden sich einige Münzangaben. So hatte um 1700 ein Gulden (fl.) eine Kaufkraft, die heute (als grobe Orientierung)  40-50 € entspräche. 1747 mussten beispielsweise in der Grafschaft Sayn-Altenkirchen für einen Gulden ein Meister 2 Tage, ein Geselle etwa 2½ und ein Tagelöhner 3 Tage zu jeweils 13,5 Arbeitsstunden an den herrschaftlichen Bauten arbeiten. Der Taler wurde auf 90 Kreuzer gesetzt, so dass der Gulden 2/3 eines Talers entsprach. In Norddeutschland wurden in der Tat 2/3-Taler geprägt. Ein Taler hatte somit den Wert von ca. 1,5 Gulden. Heute entspricht 1 Gulden einer Kaufkraft von ca. 10 €.

 

(u. a. aus der Chronik von Hettenhausen anlässlich des 1050-jährigen Bestehens im Jahr 2006, nach den Aufzeichnungen des Chronisten Friedrich Waldschmidt, Hettenhausen)