Home » Allgemein » 475 Jahre Reformation in Hettenhausen

(Herbst 2012)

Schon zur Lebenszeit Martin Luthers erreichte die reformatorische Lehre auch einzelne Gemeinden der Rhön. So lässt sich mit urkundlichen Quellen belegen, dass Balthasar von Ebersberg zusammen mit Balthasar von Steinau 1537 den Prediger Marcus Sebander in ihre Herrschaftsbezirke einberiefen und ihn beauftragten „unterthanen disseits an der Rhöne zu Wustensachsen, Reuelbach, Hettenhausen, Motten, Poppenhausen und anderswo das heilige evangelium zu predigen“. Aufgrund der namentlichen Erwähnung Hettenhausens kann sicher davon ausgegangen werden, dass vor 475 Jahren die Reformation in unserem Ort eingeführt wurde.

Die sehr frühe Einführung der Reformation in der Rhön lässt sich durch die Freundschaft Martin Luthers mit Eberhard von der Tann und dessen enge Verwandtschaft und Freundschaft mit den Ebersbergern erklären. So setzte Eberhard von der Tann bereits 1534 gegen den Widerstand des Fuldaer Fürstabtes Johann III. in seinem Herrschaftsbezirk die lutherische Lehre durch.

87 Jahre konnte sich Luthers Lehre und das evangelische Glaubensleben in Hettenhausen festigen. Am 15. September 1624 ließ jedoch der Fürstabt Johann Bernhard Schenk von Schweinsberg durch einen Überfall die Kirche und Pfarrei in Hettenhausen einnehmen und führte die Gegenreformation durch.

25 Jahre später – nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges – wurde die Kirche in Hettenhausen unter Lukas von Ebersberg wieder eingenommen und das Evangelische Bekenntnis endgültig eingeführt. So heißt es in der Chronik, dass sich am Morgen des 14. Januar 1649 ein ganzer Zug von Rittern, Soldaten, Pfarrer, Schreiber, Schulmeister und Kantorei sowie weiteren Untertanen bewaffnet mit Geschossen von Gersfeld aus in Bewegung gesetzt habe. Wie die Chronik weiter berichtet, wurde nach der Einnahme der stark zerfallenen Kirche mit einem Horn zum Gottesdienst gerufen, da die Glocken fehlten. Daraufhin hielt Pfarrer Ruprecht eine Predigt zu Jeremia 1,7: „Gott sagt: du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen alles, was ich dir gebiete.“ Nach der Predigt, so die Aufzeichnungen, wurde der Gottesdienst mit freudigem Gesang geschlossen.

Obwohl die Gemeinde verarmt war, ging man dennoch sofort daran, die zerfallene Kirche wieder aufzubauen. Zunächst wurde auf dem steinernen Fundament des Turms ein neuer Turm erbaut.

Dieser Turm steht bis heute und bildet den ältesten Teil unserer Kirche. Als die 1650 erbaute Notkirche aufgrund ihrer Größe und baulichen Beschaffenheit nicht mehr den Anforderungen entsprach, wurde sie 1878 abgerissen und ein neues Kirchenschiff an der Ostseite des Turms erbaut. Der Turm jedoch blieb stehen. Wer unsere Pfarrkirche St. Georg heute betritt, schreitet also über historischen Boden mit einer bewegten Glaubensgeschichte.

Wenn wir heute auf die Anfänge der Reformation in unserem Dorf zurückblicken, dann ist das zunächst ein Blick in unsere Geschichte und eine Betrachtung der Anfänge. Der Blick auf die derzeit wegen Baumaßnahmen freigelegten Fundamente des Turmes als ältester Teil unserer Kirche soll uns aber auch zugleich an die Fundamente unseres Glaubens erinnern. Darauf weist auch das Spruchband in unserer Kirche über dem Altarraum hin: Auch ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause und zur heiligen Priesterschaft (1. Petrus 2,5).

Wenn wir unser 475. Reformationsjubiläum feiern, geht es also um mehr als das Betrachten von Steinen, die von einer vergangenen Geschichte zeugen. Wir selbst sind „lebendige Steine“, aus denen die Kirche gebaut und weitergebaut werden möchte. Denn Reformation ist kein einmaliges Ereignis in der Geschichte. Kirche braucht auch immmer wieder Reformation als eine Besinnung auf den, der das Fundament unseres geistlichen Hauses ist: Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit (Hebräer 13,8). Darauf wollen wir uns besinnen, wenn wir in diesem Jahr das Reformationsfest in besonderer Weise feiern und die Anfänge der Reformation bedenken wollen.

 

(dd)