Home » Allgemein » Grußworte des Orgelsachverständigen Klaus Vogt zur Einweihung der restaurierten Orgel

Liebe Gemeindemitglieder!

Liebe Freundinnen und Freunde der Eifert-Orgel in Hettenhausen!

 

Wenn in diesen Tagen die Orgel in der Ev.-luth. Kirche St. Georg wieder erklingt, so können die Kirchengemeinde und darüber hinaus alle Orgelfreunde der Region ein kleines Freudenfest feiern. Nach jahrzehntelangem Warten und Ausharren ist es engagierten Mitgliedern der Gemeinde gelungen, eine Orgel wiedererstehen zu lassen, die, von allen unsachgemäßen Veränderungen des 20. Jahrhunderts befreit, ein beachtenswertes Zeugnis der Orgelbaukunst des 19. Jahrhunderts darstellt.

Es ist schon etwas Besonderes, wenn ein Kirchengebäude, einschließlich seiner Ausstattung, und die Orgel gleichzeitig entstanden sind – aus einem Guss sozusagen -, wie das in Hettenhausen der Fall ist. So fügt sich auch der schöne neugotische Prospekt (das ist die Vorderfront des Gehäuses) vorzüglich in die Innengestaltung der Kirche ein. Auch ist nicht hoch genug einzuschätzen, dass der Orgelbauer, der die Orgel in Hettenhausen im Jahr 1879 erstellt hat, Adam Eifert (1841-1910), zu den hochkarätigen Orgelbauern in hessisch-thüringischen Landen seiner Zeit gehörte. In Grebenau im Vogelsberg geboren und nach Lehr- und Wanderjahren, die ihn bis nach Barmen und Riga führten, übernahm Adam Eifert im Jahr 1871 eine Orgelbauwerkstätte im thüringischen Ilmenau. Thüringen sollte dann auch sein Hauptwirkungsgebiet werden, wenn es ihn auch immer wieder nach Hessen zog, wo er eine nicht unbedeutende Anzahl von Orgeln, vor allem im heimatlichen Vogelsberg, erstellte. Spuren seines Wirkens sind in beiden Ländern noch zu finden, nicht gerade in üppiger Zahl und häufig in mehr oder weniger veränderter, manchmal auch entstellter Form.

Auch der Orgel in Hettenhausen blieb das Schicksal nicht erspart, in Technik und vor allem im Klang dem jeweiligen Zeitgeschmack angepasst zu werden. Manchmal blieb es nur bei Reparaturen, die das Instrument lediglich spielbar erhielten. Später kam es auch zu „Verbesserungen“ und „Modernisierungen“, die das Ziel hatten, aus dem warmen, sogenannten grundtönigen Klang, eine Barockorgel zu zaubern, was – so sehen wir es heute – gründlich schief gegangen ist. Kurz gesagt: Der „helle“, strahlende Klang einer Orgel des 17. und 18. Jahrhunderts verträgt sich nur schlecht mit dem „dunklen“, warmen Klang einer Orgel des 19. Jahrhunderts. Vor allem Umbauten bzw. durchgreifende Reparaturen in den 50er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts verunstalteten das Instrument in technischer und klanglicher Hinsicht dermaßen, dass vom ursprünglich romantischen Klang der Eifert-Orgel nicht mehr viel übrig blieb.

Seit Anfang des 21. Jahrhunderts wurden mehrere Anläufe und Versuche unternommen, die als wertvoll und denkmalwürdig eingestufte Orgel einer grundlegenden Restaurierung zu unterziehen. Dabei ging es nicht nur darum, die Orgel zu reparieren, sondern sie im Stile und mit den Verfahren und Mitteln der Handwerkskunst ihres Erbauers zu rekonstruieren und sie von artfremden Materialien zu befreien. Hilfreich war auch der Umstand, dass man neben den Spuren am Instrument auch den wieder aufgefundenen Original-Orgelbauvertrag (Recherche: Frau Dr. Ortrud Wörner-Heil) zugrunde legen konnte. Eine besondere Herausforderung für die beauftragte Orgelbauwerkstätte war die Rekonstruktion verloren gegangener Register. So konnte die Disposition (das ist die Zusammenstellung aller Register) originalgetreu wiederhergestellt werden. Sie lautet wie im Jahr der Erbauung der Orgel:

 

I. Manual II. Manual Pedal
Bordun 16′ Liebl. Gedackt 8′ Subbass 16′
Principal 8′ Flauto angelica 8′ Violonbass 16′
Hohlflöte 8′ Salicional 8′ Oktavbass 8′
Viola di Gamba 8′ Gedacktflöte 4′ Gedacktbass 8′
Octave 4′ Waldflöte 2′
Flöte 4′
Octave 2′
Mixtur 2′ 3-4 fach
Manual-Coppel Windcontroleur Calcantenzug
Pedal-Coppel Windablass

 

Mit der vorzüglich gelungenen und mit viel Leidenschaft und Kompetenz durchgeführten Restaurierung (Leitung: OBM Andreas Hahn) wurde die Fa. Jehmlich (Dresden) betraut, was sich als ausnahmslos glückliche Wahl herausstellte.

Die farbliche Fassung des Gehäuses befindet sich in einem insgesamt befriedigenden Zustand, so dass man sich auf restauratorische Arbeiten im Spieltischbereich beschränken konnte. Diese Arbeiten wurden von Frau Dipl.-Restauratorin Birgit Jünger fachkundig und mit großer Sorgfalt ausgeführt.

Für das Zustandekommen der Restaurierung und Rekonstruktion der Eifert-Orgel sei den eifrigen Mitstreitern aus der Kirchengemeinde und der Bürgerschaft (stellvertretend die Orgelprojektgruppe) herzlich gedankt. In den Dank möchte ich auch einschließen die Hessische Landesregierung zusammen mit der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen (Orgelförderprogramm), die Sparkasse Fulda, die Stadt Gersfeld, die Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck und nicht zuletzt die vielen namenlosen Spender aus der Kirchengemeinde und ihrem lokalen Umfeld.

Mit dem Abschluss der Arbeiten an der Adam-Eifert-Orgel in Hettenhausen ist eine Orgel zurückgewonnen, die über die Grenzen Hettenhausens hinaus Beachtung erfahren dürfte. Die Kirche besitzt nun wieder ein klingendes Dokument mitteldeutschen Orgelbaus des 19. Jahrhunderts, das man gemeinhin als Romantik bezeichnet. Die wiedererstandene Eifert-Orgel wird für die reichhaltige und vielfältige Musik dieser Epoche ein authentisches und repräsentatives Instrument sein.

Im Ergebnis schließe ich mich als betreuender Orgelsachverständiger den Worten eines meiner Vorgänger aus dem Gutachten vom 19. August 1879 an, der „die Auswahl des Holzes und übrigen Materials, eine sehr fleißige Bearbeitung des Pfeifenwerks, dessen Eleganz bewundernswert ist“ lobte und seine Bewunderung mit den Worten krönte: “Das aus 17 klingenden Stimmen bestehende Werk auf zwei Manualen und einem Pedale überrascht durch seinen wahrhaft prachtvollen und mächtigen Ton. Das Prinzipal 8‘ …. besitzt einen imponierenden, sonoren Ton. Die Viola di Gamba 8‘ und Salicional 8‘ sind von edlem, unübertrefflich schönen Ton. Auch die Flötenstimmen sind von herrlichster Wirkung … Herr Eifert hat durch das in allen seinen Teilen wahrhaft gelungene Werk seiner sinnigen Kunst ein neues Denkmal errichtet, welches eine Ehre für die Pfarrgemeinde und eine schöne Zierde ihrer … Kirche ist.“ (T. Gesang, Stadtkantor)

Wie schön, dass ich das nach über 140 Jahren heute noch einmal bestätigen und wiederholen darf.

 

Klaus Vogt

– Orgelsachverständiger –